„Gehört das Bild mir, das der Spiegel strahlt? Es wäre fremder mir als ich!“ – Kleists Bild

Wie dürfen wir uns Kleists Äußeres vorstellen? Überliefert ist nur ein einziges authentisches Porträt: eine Miniatur des Malers Peter Friedel, das Kleist für seine Verlobte Wilhelmine von Zenge anfertigen ließ. Um Wilhelmine zu gefallen, hatte er während des Modellsitzens „fleißig gelächelt“ und die Stirn frei von Runzeln gehalten, wie er in einem Brief an seine Braut am 9. April 1801 berichtet. Während Wilhelmine das Bild durchaus zutreffend fand, sah sich Kleist nicht richtig wiedergegeben: „Es liegt etwas Spöttisches darin, das mir nicht gefällt, ich wollte er hätte mich ehrlicher gemalt“.

Überliefert ist uns noch ein zweites zeitgenössisches Bildnis von Kleist, das 1807 während seiner Gefangenschaft in Fort Joux vermutlich von einem Mitgefangenen gemalt und von den französischen Behörden mit „Henry de Kleyst, Poète Prussien“ gekennzeichnet wurde. Wie schon bei Friedel wirkt der Dichter eher jungenhaft als männlich. Aus dem Protokoll des Kommandanten im Fort de Joux wissen wir, dass Kleist ungefähr 1,70m groß war, kastanienbraune Haare und Augenbrauen hatte, blaue Augen, eine kleine Nase, einen normalen Mund, ein rundes Kinn und ein ovales Gesicht.

Das Obduktionsprotokoll vom Dezember 1811 spricht hingegen von schwarzen Haaren, blauen Augen und einer mittleren Größe. Mittelgroß nannte ihn auch Ludwig Tieck; Clemens Brentano sah in Kleist einen untersetzten Zweiunddreißigjährigen, mit einem „erlebten runden, stumpfen Kopf, gemischt launigt, kindergut, arm und fest“. Die wenigen überlieferten Berichte und das Porträt Friedels lassen zwar ein Bild Kleists entstehen, doch bleibt dieses unvollständig. Die Widersprüchlichkeit der spärlich vorhandenen Quellen eröffnet Spielräume für Fiktion und Interpretation durch unterschiedlichste Künstler, die so ihre eigene Sichtweise auf den Dichter in die Darstellung einfließen ließen.
(Ewa Gossart)