Zum 200. Todestag: Heinrich von Kleist, der „juridische Dichter“
Expertentagung
Bildungszentrum Wildbad Kreuth
5. bis 6. Oktober 2011
Das auffallende Adjektiv wurde Kleist von Ludwig Tieck zugeordnet, und in der Tat haben viele der kleistschen Texte etwas von der klaren logischen und chronologischen Folge und der inhaltlichen Exaktheit amtlicher Protokolle an sich. Aber dies ist nur ein Hilfsmittel zur Bändigung des jeweiligen Sujets, in dem immer wieder die Abgründe menschlicher Existenz aufgerissen werden und eben die Klarheit verweigert wird, durch die sich die äußere Form auszeichnet. Diese Abgründe werden durch Kleist nicht im Sinne irgendeiner weltanschaulich verfestigten Ordnung geschlossen. Insofern ist er, im Gegensatz zu seinen ebenso berühmten Zeitgenossen von der „Weimarer Klassik“, von einer Zerrissenheit, an der er persönlich gelitten hat („Verflucht das Herz, das sich nicht mäßigen kann“), und die ihn, über die seither vergangenen Generationen der Kulturgeschichte hinweg, zu einem Vorläufer der Moderne und des Typus des „poète maudit“ macht. Dem entspricht es, wenn er immer wieder ein „happy end“ verweigert, wie in all seinen Werken, die auf der Expertentagung zur Auswahl herangezogen werden – und eigentlich auch im „Zweikampf“. Denn dort siegt zwar am Ende das Gute, aber die Frage, ob denn das Eingreifen von Gottes Gerechtigkeit in die irdische Welt tatsächlich verbürgt werden kann, hier versinnbildlicht durch das „Gottesurteil“ des Zweikampfes, bleibt ohne Antwort.
Prof. Dr. Reinhard Meier-Walser
Leiter der Akademie für Politik und Zeitgeschehen
der Hanns-Seidel-Stiftung
Bernd Dieter Rill
Referent für Recht, Staat, Europäische Integration;
Integrationspolitik und Dialog der Kulturen der Akademie für Politik und Zeitgeschehen der Hanns-Seidel-Stiftung
PROGRAMM
Mittwoch, 5. Oktober
bis 13:00 UhrAnreise der Teilnehmer, anschließender Imbiss
14:00 Uhr Begrüßung und Eröffnung, Bernd Dieter Rill (Hanns-Seidel-Stiftung)
Kleists Replik auf die Französische Revolution, Prof. Dr. Hans-Jürgen Schings (em.) (Institut für Deutsche und Niederländische Philologie Freie Universität Berlin)
Satisfaktion statt Recht: Kleist und das aristokratische Ritual des Zweikampfs,Prof. Dr. Günter Blamberger (Präsident der Heinrich-von-Kleist-Gesellschaft, Universität zu Köln)
Der zerbrochne Krug – der Richter als Täter, Prof. Dr. Peter Raue (Rechtsanwalt und Notar, Berlin)
18:00 UhrAbendessen
19:00 Uhr Kleists Herrmannsschlacht: Römer und Germanen – Quid pro quo?,Prof. Dr. Barbara Vinken, Ph.D. (Institut für Romanische Philologie, Ludwig-Maximilians-Universität München)
Diskussion nach jedem Referat
Donnerstag, 6. Oktober 2011
09:00 Uhr Staat und Gesetz bei Michael Kohlhaas und dem Prinzen von Homburg,Prof. Dr. Dr. Detlef Merten (em.) (Deutsche Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer)
Das Bettelweib von Locarno – Schuld und Sühne,Prof. Dr. Rolf Selbmann (Institut für Deutsche Philologie, Ludwig-Maximilians-Universität München)
Das Erdbeben von Chili und die gestörte Weltordnung,Prof. Dr. Peter J. Brenner (Carl von Linde-Akademie der TU München)
Diskussion nach jedem Referat
12:30 Uhr Mittagessen
13:30 Uhr Ende der Veranstaltung
Hanns-Seidel-Stiftung
Akademie für Politik und Zeitgeschehen
www.hss.de