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Dr. Anton Philipp Knittel
Leiter des Literaturhauses Heilbronn


1. Wann und wie ist Ihnen Heinrich von Kleist zum ersten Mal begegnet?
Erstmals in der Schule, als wir in der Oberstufe den Essay „Über die allmählige Verfertigung der Gedanken beim Reden“ gelesen haben. Viel stärker hat mich dann Kleists „Prinz Friedrich von Homburg“ beeindruckt, der damals sog. Sternchenthema für das Abitur war.

2. Was schätzen Sie besonders an ihm?

Sein nicht auszudeutender Blick auf die „gebrechliche Einrichtung“ dieser Welt.

3. Gibt es etwas bei Kleist, das Sie ärgert oder das Ihnen gar nicht gefällt?

Zum einen der Umgang mit seinen Texten, die Lücken in der Überlieferung und der Biografie.

4. Angenommen, Sie hätten einen Tag mit Kleist in unserer Gegenwart – was würden Sie gemeinsam unternehmen?
Ich würde gerne verschiedene Gemäldegalerien mit ihm besuchen und Werke seiner Zeit aber auch unserer Tage betrachten. Noch reizvoller stelle ich mir Gespräche mit ihm und allen lebenden Kleist-Preisträgern vor. Aber dafür würde ein Tag bestimmt nicht reichen.

5. Worüber würden Sie gerne mit Kleist sprechen?

Auf jeden Fall über Macht und Moral. Über Politik, besonders über Terror und Widerstand, aber auch über Religion und Kirche und nicht zuletzt über Sport, vor allem über Fußball.

6. Welche Figur aus seinem Werk steht Ihnen besonders nah und warum?
Alkmene und ihr „Ach“, in dem eine ganze Welt begründet liegt.

7. Als Zeitgenosse von Kleist - hätten Sie den Selbstmord verhindern wollen? Wie?

Versucht sicherlich. Aus heutiger Sicht jedoch wissend, dass die Chancen dafür kaum groß waren. Denn dazu hätte es allerdings einer so großen Nähe zu Kleist bedurft, wie sie am Schluss seines Lebens - soweit wir wissen - neben Henriette Vogel nur noch zu Ulrike und Marie von Kleist bestand.

8. Was ist Ihrer Meinung nach die passende „Einsteiger-Lektüre“ für Kleist-Neulinge?
„Der Findling“, „Das Erdbeben“ und „Michael Kohlhaas“ sowie seine Briefe.

9. Was können wir von Kleist lernen?

Den genauen Blick auf die „gebrechliche Einrichtung“ dieser Welt (s. o.), aber auch in Absetzung davon, die Aufforderung, sich dennoch nicht unterkriegen zu lassen. Ohne ein Kohlhaas zu werden, versuchen rechtschaffen zu bleiben, ohne entsetzlich zu werden.

10. Wären Sie gern mit Kleist befreundet, wenn er noch lebte?

Das käme vielleicht darauf an, mit wem er sonst noch befreundet wäre. Im übrigen bin ich nicht so vermessen, mir eine so große Frustrationstoleranz selber zuzubilligen, um mit ihm dauerhaft befreundet zu sein.

11. Das stärkste Zitat von oder über Kleist?

Ganz schwierige Frage, weil es von Kleist eine Menge von wirklich starken Zitaten gibt. Zu den starken gehört für mich auf jeden Fall dieses: „In meiner Seele sieht es aus, wie in dem Schreibtische eines Philosophen, der ein neues System ersann, und einzelne Hauptgedanken auf zerstreute Papiere niederschrieb.“
(Brief an Wilhelmine von Zenge, 10. Oktober 1800)


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