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Prof. Peter-André Alt
Präsident der Hochschulrektorenkonferenz
zuvor u.a. Präsident der Freien Universität Berlin, 
Institut für Deutsche und Niederländische Philologie
 


1. Wann und wie ist Ihnen Heinrich von Kleist zum ersten Mal begegnet?
1971, durch den Prinzen von Homburg am Berliner Schillertheater. In der Titelrolle: Helmut Griem, der gerade Cabaret mit Liza Minelli drehte. Ich, elf Jahre alt, durfte erstmals in die Welt dieses preußischen Romantikers blicken. Auf der Bühne erhob sich, überlebensgroß, ein weißer Adler: Frieden und Schrecken zugleich symbolisierend.

2. Was schätzen Sie besonders an ihm?

Seine Fähigkeit, auch in der entfesselten Leidenschaft genau zu sein.

3. Gibt es etwas bei Kleist, das Sie ärgert oder das Ihnen gar nicht gefällt?

Was mich ärgert: die frühen Briefe an Wilhelmine von Zenge, natürlich. Was mir gar nicht gefällt: der Franzosenhass des Partisanen, der er im Inneren stets geblieben ist.

4. Angenommen, Sie hätten einen Tag mit Kleist in unserer Gegenwart – was würden Sie gemeinsam unternehmen?
Nach Würzburg reisen und ihn fragen, was er dort getan hat, im Spätsommer 1800 (auch um endlich den leidigen Forschungsstreit darüber zum Erliegen zu bringen).

5. Worüber würden Sie gerne mit Kleist sprechen?

Über seine philosophischen Lektüren, um sicherzustellen, welche Texte - von Platon bis Kant - er wirklich gelesen hat. Ein Philologentraum, was sonst.

6. Welche Figur aus seinem Werk steht Ihnen besonders nah und warum?
Fangfrage, denn sie sind sämtlich abgründig und zweideutig. Wer gesteht, welche Kleist-Figur er liebt, verrät mehr über sich, als er womöglich verraten möchte. Homburg würde ich bevorzugt nennen: alle Leidenschaften, die in der Seele des Menschen Platz finden, dürften hier versammelt sein.

7. Als Zeitgenosse von Kleist - hätten Sie den Selbstmord verhindern wollen? Wie?

Schon wieder eine Fangfrage (unterlassene Hilfeleistung!). Aber im Ernst: Wie hätte man das verhindern können? Allein das Kaffeetrinken im Freien in vorwinterlicher Kälte - Ende November - ist noch kein Alarmzeichen.

8. Was ist Ihrer Meinung nach die passende „Einsteiger-Lektüre“ für Kleist-Neulinge?
Der zerbrochne Krug. Hier ist alles da, was Kleist auszeichnet, aber es lässt sich verkraften, manchmal weglachen, über den Abgrund hinüber, der schon ahnen lässt, dass die Komödie uns eigentlich nicht mehr beikommt. Wenn es nur der Krug allein wäre, der zuschanden geht! Damit kann man anfangen.

9. Was können wir von Kleist lernen?

Dass uns auf Erden nicht zu helfen ist.

10. Wären Sie gern mit Kleist befreundet, wenn er noch lebte?

Auf keinen Fall. Er war launisch, unberechenbar, hochfahrend, fordernd, undurchsichtig, unsicher und hybrid zugleich. Den lese ich lieber.

11. Das stärkste Zitat von oder über Kleist?

Von Kleist (denn „über Kleist“ interessiert uns doch weniger): „Die abgestorbene Eiche, sie steht unerschüttert im Sturm, aber die blühende stürzt er, weil er in ihre Krone greifen kann.“
(29. Juli 1801 an Wilhelmine von Zenge, wieder aufgegriffen in der Penthesilea)


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