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Adel und Autorschaft

Internationale Tagung im Rahmen der Ausstellung "Kleist: Krise und Experiment"

18./19. Mai 2011

Tagungsort: Collegium Hungaricum Berlin, Dorotheenstr. 12, 10117 Berlin


Tagungsleitung: Professor Dr. Günter Blamberger (Universität zu Köln)

Wissenschaftliche und organisatorische Tagungsassistenz: Björn Moll, M.A., und Christine Thewes, M.A. (Universität zu Köln), Iglhaut + von Grote (Ausstellung, Museumsplanung, Kulturprojekte Berlin)

Anfragen und Anmeldung: christine.thewes@gmx.de

Kooperationspartner: Collegium Hungaricum Berlin, Kleist-Museum Frankfurt (Oder) 

Fragestellung

Die Destabilisierung von aristokratischen Lebensentwürfen in der Krisenzeit um 1800 und die Adaption bürgerlicher Ethik führt fälschlich dazu, die große deutsche Literatur und Kunst um 1800 vorwiegend als Zeugnis des bürgerlichen Idealismus zu sehen. Ignoriert wird dabei, dass viele Autoren der Klassik und Romantik aristokratischer Herkunft sind, ihre Biographien in Zyklen der Abkehr und Rückkehr zum standesgemäßen Leben verlaufen, ihre Werke das Moderne mit dem Althergebrachten kontaminieren. Kleist gibt dafür ein Beispiel. Seine Novellen und Dramen stellen bürgerliche Anthropologie, Moral- und Kunstphilosophie ebenso auf den Prüfstand wie traditionelle Konzepte von Adeligkeit, die der Aristokratie jahrhundertelang soziale, politische und kulturelle Hegemonie gesichert haben: die Klugheitslehren der skeptischen Moralistik z.B. mit ihrer Empfehlung von Verstellungskünsten, die im Widerspruch stehen zur idealistischen Forderung nach einer Kongruenz von Ethik und Ästhetik. Kleists Autorschaft könnte man als Abkehr von den Karrierewegen des Adels verstehen, er strebt als Autor nach Freiheiten, die sich nicht mehr an stratifizierbaren Ordnungen orientieren. Zugleich ist er jedoch in aristokratischer Manier weiterhin fixiert auf Ruhm und Ehre und scheitert an einem literarischen Markt, dessen Gesetze ihm nicht lesbar zu sein scheinen. Seine literarischen Werke sind geprägt von moralistischer Skepsis, die jedoch nur die Rückseite eines enttäuschten Idealismus ist. Politisch gehört er dem Reformadel an, der die Besitzstandswahrung, die Immobilität seiner Standesgenossen als Journalist wie Autor attackiert, um Preußen im Wettbewerb der europäischen Mächte konkurrenzfähig zu machen.  

Kleist erlebt die Krise der Adeligkeit um 1800 persönlich und spielt sie textuell auch durch. Sichtbar wird das an seinen Katastrophenszenarien, an Momenten fehlerhaft gelesenen Verhaltens, an einem Personal, das sich in seinen aufgelegten Handlungsrollen nicht zurecht findet. Die Hybridität seines eigenen Lebensentwurfs spiegelt sich, so die Annahme, in der Hybridität seiner Texte wieder. Die Frage ist, ob Kleist innerhalb des Adelsdiskurses um 1800 als paradigmatischer Fall gelten kann, wie sich seine besondere Verbindung von Adel und Autorschaft unterscheidet von Lebens- und Werkentwürfen anderer aristokratischer Autoren wie Achim von Arnim, Friedrich de la Motte-Fouqué, Joseph von Eichendorff, Adelbert von Chamisso oder Novalis. Gibt es eine spezifische aristokratische écriture, kann der Begriff von Adeligkeit also nicht nur historisch und gesellschaftlich, sondern auch literarisch fassbar gemacht werden – wie es beispielhaft etwa Jochen Strobel in Eine Kulturpoetik des Adels in der Romantik (Berlin, New York 2010) vorführt? Das wäre auf der Tagung ebenso zu analysieren wie die zeitgenössische Apologie bzw. Kritik des Adels in Essays, Briefen und literarischen Werken. Welche Rolle spielt die christliche teutsche Tischgesellschaft für die Ausbildung eines ‚modernen’ Adelskonzepts um 1800? Wenden neben Kleist auch andere aristokratische Autoren den Blick ab vom bürgerlichen Idealismus hin zu den tradierten moralistischen Klugheitslehren der europäischen Adelskultur?

Rahmenveranstaltungen und Tagungsverlauf

 

Mittwoch, 18. Mai  / Collegium Hungaricum Berlin 

15.00   János Can Togay, Direktor des Collegium Hungaricum 
            Grußworte 

            Prof. Dr. Günter Blamberger (Köln)
            Prolegomena

Moderation: Björn Moll, M.A. (Köln) 

15.30   PD Dr. Jochen Strobel (Marburg)
            Kleist. Von der Freiheit des Autors und der Freiheit des Adeligen 

16.15    Dr. Inka Kording
            „und was das Schlimmste ist, ich rede immer von mir.“ Hybris
             und Krise des Ich in den frühen Briefen Heinrich von Kleists 

17.00    Kaffeepause 

17.30    Dr. Michael Neumann (Konstanz)
           „Die Gewalt des Himmlischen“. Kleists Adel zwischen Arndt und
            Müller 

18.15    Dr. Helmut Grugger (Innsbruck)
            Adeliges und bürgerliches Subjekt in Kleists „Penthesilea“ 

19.00    Empfang
            Gabriella Gönczy, Leiterin des Gragger-Instituts am Collegium 
            Hungaricum
            Begrüßung 

20.00    László Márton (Budapest)
            „Gotes hövscheit“. Das Weiterleben eines mittelalterlichen Begriffes bei
            Heinrich von Kleist
 

im Anschluss Lesung aus Die wahre Geschichte des Jacob Wunschwitz (1997)

Mit seinem Roman demonstriert der ungarische Schriftsteller László Márton seine Nähe zu Heinrich von Kleist: Sein Jacob Wunschwitz ist eine Variation des Michael Kohlhaas.

 

Donnerstag, 19. Mai /Collegium Hungaricum Berlin

Moderation: Dr. Martin Roussel (Köln)

9.30      Dr. Gunter Heinickel (TU Berlin/München)
             Friedrich de la Motte-Fouqué als politischer Dichter der
             Romantik – auf der Suche nach einer neuen Adligkeit in der
             nachständischen Gesellschaft 

10.15    PD Dr. Burkhard Meyer-Sickendiek (FU Berlin)
             Scham und Grazie. Kleists Marionettentheater aus
             psychohistorischer Persp
ektive 

11.00    Kaffeepause 

11.30    Prof. Dr. Stefan Nienhaus (Neapel)
             Ein ganz adeliges Volk: Diedeutsche Tischgesellschaft als
             aristokratisches Demokratiemodell 

12.15    Prof. Dr. Monika Wienfort (TU Berlin)
             Selbstverständnis und Selbststilisierung des deutschen Adels
             um 1800
 

13.00    Mittagspause  

Moderation: Prof. Dr. Gabriele Brandstetter (FU Berlin) 

14.30    Prof. Dr. Anke Gilleir (Leuven)
             Anstand und Abstammung. Aristokratie und Bourgeoisie 
             aus Perspektive weiblicher Autorinnen um 1800 

15.15    Prof. Dr. Markus Krajewski (Weimar)
             Querulanz und Taktik. Kleists Fürstendiener 

16.00    Kaffeepause 

16.30    Dr. Michael Ott (München)
             Privilegien. Zum Verhältnis von Ehre und Recht bei Kleist 

17.15    Journalistengespräch

Samstag, 21. Mai  / Tagesausflug zu Märkischen Musenhöfen / Lesung Günter de Bruyns

7.15      Abfahrt am Kleist-Museum  / Faberstr. 7, 15230 Frankfurt (Oder)

9.00      Ankunft und Weiterfahrt in Berlin
            (Treffpunkt: Hollywood Media Hotel,
             Kurfürstendamm 202, 10719 Berlin) 

10.30    Steinhöfel bei Fürstenwalde (Besichtigung: Schloss, Bibliothek,
             Park)

11.30    Alt Madlitz (Besichtigung: Park, Schloss, Familienfriedhof)

12.45    Friedersdorf (Kirche, Familienfriedhof), anschl. Mittagessen im 
             Kunstspeicher 

14.30    Abfahrt Friedersdorf über Jahnsfelde nach Nennhausen (Havelland)

Ab 16.30  Kaffeetafel im Landschaftspark Nennhausen

17.00    Lesung mit Günter de Bruyn

Günter de Bruyn liest aus dem im S. Fischer Verlag erschienenen Band „Die Zeit der schweren Not. Schicksale aus dem Kulturleben Berlins 1807-1815“

(Büchertisch, Diskussion, Signierstunde)

18.30    Empfang mit angebotener Parkführung

ca. 20-21.00   Rückfahrt nach Frankfurt (Oder) über Berlin

Begrenzte Teilnehmerzahl!
Kostenbeitrag: 50 € p.P. 

Anmeldung bis 13.5.: christine.thewes@uni-koeln.de
Reiseleitung: Hans-Jürgen Rehfeld, Dr. Barbara Gribnitz
Organisation: Dr. Wolfgang de Bruyn, Kleist-Museum, Frankfurt (Oder)