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Kleist und die Politik

Internationale Jahrestagung der
Heinrich-von-Kleist-Gesellschaft

Märkisches Museum Berlin,
Vortragssaal
19. - 20.11.2010

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Die Rede von der »Politik der Literatur«, so schreibt Jacques Rancière, setzt »eine wesentliche Verbindung zwischen der Politik als spezifischer Form kollektiver Praxis und der Literatur als bestimmte[r] Praxis der Kunst des Schreibens« voraus. Die Frage nach der Art dieser Verbindung in Bezug auf Heinrich von Kleists Leben und Schreiben soll auf der diesjährigen Internationalen Jahrestagung der Heinrich-von-Kleist-Gesellschaft »Kleist und die Politik«, die vom 19.-20.11. 2010 stattfinden wird, erörtert werden.

Befragt werden soll so zunächst die mögliche Zeugenschaft von Kleists ›politischer‹ Literatur von den Formationen des Politischen um 1800. Dies umfasst Fragestellungen zum Einfluss eines intellektuellen Klimas im Übergang von einer aufklärerischen Kultur des Kosmopolitismus zu einem Nationalismus, dem etwa auch Fichtes Reden an die deutsche Nation entstammen, hinsichtlich politischer Denkprogramme der Romantik und der politischen Situation des ›Heiligen Römischen Reichs Deutscher Nation‹ in den Napoleonischen Kriegen.

Die Frage nach dem Verhältnis politischer Verhältnisse zu literarischer Produktion und daraus folgenden poetologischen Konstellationen setzt mithin eine Linearität in der Wirkmächtigkeit dieser beiden Pole voraus. Inwiefern überhaupt von einem eindeutig zu bestimmenden Verhältnis zwischen Literatur und Politik die Rede sein kann, könnte ebenso problematisiert werden wie die Frage, welche Rückkopplungen und -bindungen sich etwa in der Literatur als »Metapolitik« (Rancière), also einem die Politik maßgeblich beeinflussenden Diskurs, wie etwa auch Wolf Kittler hinsichtlich der Hermannsschlacht vorschlägt, bilden können - und welche Auswirkungen diese Überlegungen auf die Beurteilung und Lektüre von Kleists Werk zeitigen. Lässt Kleists Schreiben überhaupt eine Charakterisierung als ›politisch‹ zu, angesichts der üblichen Zentrierung einer solchen Literatur um einen Autor als archimedischen Punkt?

Darüber hinaus stellt die spezifische Politisierung Kleists einen Problemkomplex dar, insbesondere Kleists journalistisch-politische Tätigkeit. Kleists Rede vom Journalismus als »gänzliche[r] Privatsache« (im Lehrbuch des französischen Journalismus) umreisst hier ein zentrales Problem, das die Notwendigkeit einer Verortung Kleists in einer, im Privaten gründenden, Fluchtlinie des Politischen erwägen muss. Inwiefern ist Kleists journalistische Tätigkeit der Schöpfungsakt einer vormals nicht vorhandenen Öffentlichkeit, ein rite de passage auf dem Weg zur ›Germania‹, tatsächlich politische Agitation oder alles drei? In welcher Weise ist die damit vollzogene Verschränkung von oikos und polis der Grundstein für eine politische Ökonomie zu nennende Handlungsanweisung - oder gar ein Programm? Und welche Rolle spielt der politische oder Volks-Körper, wenn Kleist die Zeitschrift Germania mit dem Hinweis einleitet, sie solle »der erste Atemzug der deutschen Freiheit« sein?

Ist so ein Zugang zu Kleists Politik(en) also auch abseits einer Einschätzung als ›engagierte Literatur‹ oder politische Agitation möglich, stellt sich weiterhin die Frage inwieweit einer Literatur eine politische Rolle zukommt, die nicht »Alternativen pointieren« will, »sondern, durch nicht anderes als ihre Gestalt, dem Weltlauf widerstehen« (Adorno). Was wäre dann Kleists Politik der Form? Sind poetologische Mechanismen auszumachen, die diejenigen Schriften Kleists, die nicht explizit als ›politisch‹ markiert sind, trotzdem politischen Charakter zuzusprechen erlauben? Was könnten also die politischen Implikationen von der Ansiedlung Kleists Poetik »[z]wischen […] der spielerischen Diversifikation und der befestigenden Unifikation« (G. Neumann) sein?

Zuletzt verspricht auch ein (forschungs-)geschichtlicher Überblick über die Kleist-Rezeption einige Aufschlüsse über die Politik seiner Literatur. Wie ist die Doppelfigur zu beschreiben, die die Kleist-Lektüren etwa ab 1871, in der Weimarer Republik, im Nationalsozialismus oder in BRD und DDR als Spiegel des Politischen konfiguriert, der sowohl Rückschlüsse über die politische Funktionalisierung von Literatur in politischen bzw. gesellschaftlichen Systemen zulässt, als auch in einem nächsten Schritt das politische Selbstverständnis eines Systems freilegt? Und was verrät wiederum eine solche Taxonomie der verschiedenen Anschlüsse an Kleists Schreiben über dieses selbst? Worin liegt die Eignung Kleists zum Politikum?

Die Tagung ist noch in der Planungsphase. Informationen zu Programm und Sprechern werden hier auf dem neuesten Stand gehalten.