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Kleist und die Ideologie des Ästhetischen

Universität Hamburg
6. April bis 13. Juli 2011
mittwochs 18 bis 20 Uhr

 

Ringvorlesung in Kooperation mit der Heinrich von Kleist-Gesellschaft und dem Institut francais

Koordination: Nikolaus Müller-Schöll


Wie wenige andere Dichter, Schriftsteller und Dramatiker hat Heinrich von Kleist in den vergangenen Jahrzehnten über den engeren Bereich der Literaturwissenschaft, des Theaters und seiner Theorie hinaus auch Theoretiker des Politischen und Philosophen beschäftigt. Dabei stand im Mittelpunkt vieler Debatten, was der amerikanische Literaturtheoretiker Paul de Man in seinem Text zu Kleists Aufsatz "Über das Marionettentheater" und der darin dekonstruierten "ästhetischen Formalisierung" als "Ideologie des Ästhetischen" bezeichnete. Als "politische Kraft", so de Man, "geht die Ästhetik uns immer noch als eine der mächtigsten ideologischen Bewegungen an, die auf die historische Realität einwirken. (…) Was dem Ästhetischen seine Kraft und damit seinen praktischen, politischen Gehalt gibt, ist die innige Verbindung, die es mit dem Wissen und jenen epistemologischen Implikationen unterhält, die immer im Spiel sind, wenn das Ästhetische am Horizont eines Diskurses erscheint." Viele Stücke, Erzählungen, Abhandlungen und Briefe Kleists, ja selbst vermeintlich journalistische Texte können als Analyse, Kritik und Dekonstruktion des Ästhetischen gelesen werden. Man kann sie als Auseinandersetzung mit Kants "Kritik der Urteilskraft" und der mit ihr vermeintlich zum Abschluß gebrachten kopernikanischen Wende auf den Gebieten von Erkenntnis, Recht und Kunst auffassen. Man findet in ihnen Stellungnahmen zu den unterschiedlichen Positionen  n a c h  Kant. Vor allem aber läßt Kleist, wie die Kleistforschung der letzten Jahrzehnte verdeutlicht hat, überhaupt erst deutlich werden, daß sich hinter dem Begriff des Ästhetischen eine Ideologie verbirgt.
Aus Anlaß des "Kleist-Jahres" soll im Verlauf einer Ringvorlesung Kleists Auseinandersetzung mit dieser Ideologie nachgegangen werden. Zugleich soll diese Ideologie selbst - gleichsam auf Kleists Spuren - zum Thema werden, wobei Zeitgenossen Kleists wie Schiller, Arnim, Brentano, Hölderlin, Schelling, Fichte oder die Schlegels in die Diskussion einbezogen werden können, aber auch Theoretiker des 20. Jahrhunderts wie Benjamin, Adorno/Horkheimer, Heidegger oder Guy Debord, in deren Kritik der "Ästhetisierung von Politik", der "Kulturindustrie", des "Gestells" bzw. der "Gesellschaft des Spektakels" ein ferner Nachhall dessen zu finden ist, was Kleist mit großer Sensibilität im Diskurs seiner Zeit aufzuspüren wußte. Die Ringvorlesung wird neben Literatur- und Theaterwissenschaftlern auch Philosophen und Theaterpraktiker - aus Hamburg und von außerhalb - dazu einladen, sich mit Kleist als einem noch heute ernst zu nehmenden Leser Kants und Kritiker der Ideologien seiner und unserer Zeit zu beschäftigen.

06.04.11     Einführung: Kleist und die Ideologie des Ästhetischen (Nikolaus Müller-Schöll, IfG II)
13.04. Das Komische bei Kleist (Marianne Schuller, IfG II)
20.04. Zerreißprobe Penthesilea. Zur agonalen Ästhetik von Politik und Recht
(Andrea Allerkamp, Département d’Études Germaniques, Université de Provence Aix-Marseille 1)
27.04. Schweinegrollen. Anekdote und Animosität bei Kleist (Leonhard Fuest, IfG II)
04.05.      An Marie: Berlin, Mai 1811 - eine Relektüre (Timo Orgzal, Hamburg)
11.05.      Kleist und Schiller. Dialogizität und Rivalität in der 'Deutschen Klassik' (Claudia Benthien, IfG II)
18.05.   Verräumlichungen der Seele in Kleists "Über das Marionettentheater" (Marita Tatari, Berlin/Straßburg)
25.05.   "... überall nur Eine Natur"? Kleist und die Ideologie der Natur in der Ästhetik um 1800 (Bernd Hamacher, IfG II)
01.06.    Zwischen Macht und Ohnmacht. Das (Nicht-)Wissen um Vaterschaft und weibliche Tugend in Kleists "Marquise von O..." (Julia Freytag, IfG II)
08.06.      Lachen, Grausamkeit, Krieg, Terror und Geschichte. Kleist, Heiner Müller und Malaparte (Jean Jourdheuil, Université de Paris X, Nanterre)
22.06.    Verzweigte Gegenwarten im Guiskard-Fragment (Ulrike Haß, Institut für Theaterwissenschaft, Ruhr-Universität, Bochum)
29.06.     Die Ideologie des Symbolischen Im Prozeß von Klassik und Romantik (Ulrich Wergin, IfG II)
06.07.   Die Wiederkehr des Erhabenen als Komödie. Kleist und Schiller (Cornelia Zumbusch, Ludwig-Maximilians-Universität, München)
13.07.  Schlacht ohne Krieg. Kleist zwischen Rom und Byzanz (Sebastian Kirsch, Institut für Theaterwissenschaft, Ruhr-Universität, Bochum)